Ortschronik


Mein Petersdorf - Kindheitsgeschichten

Bericht von Inge Siegel, geb. Hoffmann, im Jahr 2016

Meinem Geburtsort Petersdorf gewidmet

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„Wenn du etwas Schönes geschenkt bekommst, vergiss nicht den Dank!”

Nun, wenn auch spät, will ich mit diesen Zeilen meinen Dank sagen.
Mein Petersdorf? Ist das nicht eine Anmaßung? Nein, ich werde von meinem Petersdorf erzählen.

Natürlich weiß ich, es ist Ihr, Euer oder besser noch unser Petersdorf. Damit es noch schöner wird, möchte ich die folgenden Geschichten erzählen. Ich bin in Petersdorf geboren. Meine Eltern und Großeltern waren Petersdorfer. Somit also hat mich dieser Ort von Kindheit an geprägt.


Schwerer Anfang

Mein erster Atemzug war Petersdorfer Luft!

Am 5.Juni 1945 wurde ich in der Neugolmerstraße im Haus meiner Tante Frieda Gnauert geboren. Hurra, ich war ein Friedensbaby! Der zweite Weltkrieg war gerade erst vier Wochen beendet. Saß mir noch der Schrecken, die Angst in den Gliedern? Psychologisch hat das sicher meine Gefühle beeinflusst.  Die Eltern waren in Berlin-Steglitz 1943 ausgebombt. Von allen materiellen Werten blieb ihnen eine Tischuhr. Diese war allerdings im Gangwerk kaputt und hatte vorn eine gesprungene Glasscheibe. Sie wurde das Mahnmal gegen den Krieg in unserer Familie.

Meine Familie fand in Petersdorf Aufnahme. Die Großeltern, Tanten, Onkels, Kinder — alle halfen. Mein Leben hing im ersten Jahr am oft zitierten seidenen Faden. Der Arzt hatte wenig Hoffnung. Doch trozdem - ich blieb am Leben.

Meine Tante Trudchen (Gertrude Pohland) hatte einen großen Anteil an meinem Überleben. Gemeinsam mit meinem Vater, Karl Hoffmann, zogen sie über weit entfernte Felder, um Kartoffeln, Rüben oder Getreideähren zu stoppeln. Und bei beiden Großmüttern standen Ziegen im Stall. Mit Ziegenmilch wuchs ich auf.


Meine Großeltern Gnauert 

An meinen Opa Wilhelm Gnauert kann ich mich nur mit folgendem Bild erinnnern. Er lag im Bett, im Altenteil. Sein weißer Schnurrbart leuchtete. Die Pflege hatte meine Tante Trudchen übernommen. Großmutter Marie Gnauert war schon 1948 verstorben.

Ich kann mich an Schlachtfeste erinnnern. Die Küche war voll von Töpfen, Pfannen, Dämpfen. Fleißige Frauen rührten in großen Wannen, manche Männer tranken einen „Harten" gegen das Fette. Eben noch quiekte das Schwein in seiner Todesangst, kurz darauf hing es ausgenommen an der Leiter auf dem Hof. Später bekamen wir die erste Wurstsuppe mit viel Majoran zu essen. Sie schmeckte köstlich!

Meine Tante Trudchen war eine besonders gute „Gurkenköchin". Ihre eingelegten Gurken waren konkurrenzlos. Sie schmeckten einzigartig gut. Und dann noch im Sommer die Zwiebelstullen! Mein Cousin Gerhard zeigte mir, dass ordentlich „viele Bollen" auf der Stulle sein mussten. Dann Salz drauf - und wir aßen mit leuchtenden Augen.

Meine Oma Marie Hoffmann

Meine Oma väterlicherseits war seit 1915 Kriegswitwe. Eine sehr fleißige und kluge Frau, die ihren vier Kindern das Erbe, wie Haus und Grundstück, erhielt. Ihre Tochter, meine Tante Emma, mit Onkel Richard Kriegel, ihrem Ehemann, und der Cousine Anneliese waren in den Sommerferien meine Familie. Gemeinsam mit meiner Schwester Dorit erlebten wir bei ihnen wunderschöne Ferientage.

Oma ging mit uns Pilze suchen. Noch heute nehme ich nur die Pilze, die ich durch sie kennengelernt habe. Tante Emma suchte mit uns Blaubeeren und Schirmpilze. Die Ackerfläche auf den Petersdorfer Wiesen bestellten sie mit Getreide und Kartoffeln. Im Garten ernteten sie Kohl, Salat, Tomaten, Gurken, Obst und Kräuter. Doch die Schönheit kam auch nicht zu kurz. Vor dem Haus war ein buntes Blumenbeet, besonders Alpenschnee ist mir in Erinnerung geblieben. Meine Tante Emma brachte mir auch bei, wie man Blumen in die Vase stellt. Luftig und locker sollte es aussehen und nicht so hineingepresst! Mittagessen von Pellkartoffeln mit Gurkensalat aus frisch geernteten grünen Gurken war eine Delikatesse.

Unseren Onkel Richard erwarteten wir schon voller Sehnsucht zum Feierabend. Hatte er doch stets einen Spaß parat. Er war immer für Neues offen, probierte Vieles aus. Er zeigte uns lustige Filme, brachte uns Leckereien mit, interessierte sich für Sport und Motorwelt. Selbst Nutrias lernten wir durch ihn kennen.

Er buk zu Familienfesten ganz besonders schöne Torten und konnte gut zeichnen. In mein Poesiealbum malte er eine schöne Blume. Darauf war ich besonders stolz. Da Kriegels früh einen Fernseher besaßen, konnten wir dort auch die „Flimmerstunde" mit Professor Flimmrich sehen. Obwohl das Bild gegenüber heute tatsächlich flimmerte, war das doch ein großer Knüller!


Anneliese und Heinz

Meine Cousine Anneliese war für uns ein Vorbild. Sie roch so gut! Wenn wir noch morgens in ihrem Bett liegen durften, duftete die Bettwäsche nach frischen Blumen. Dazu gab sie uns noch Magazinhefte und Kinoprogramme zum Ansehen. Wir fühlten uns fast erwachsen!

Ihr Liebster, Heinz Hartmann, war damals ein Hobbyrennfahrer. Er fuhr mit dem Motorrad zuerst Sandbahnrennen in Karlshorst. Später nahm er dann an Straßenrennen teil. In der Garage hängen noch heute die Siegerkränze von damals.

Mit dem Motorrad oder dem „Topolino" von Anneliese durften wir auch mal eine kurze Strecke mitfahren. Später konnten wir uns auch, am Motorboot hängend, mit den Wasserski ausprobieren. Doch ich ging gleich unter. Meine Schwester Dorit war sportlich und konnte sich über den Scharmützelsee ziehen lassen.


Badefreuden

Der Petersdorfer See war ein Anziehungspunkt. Nicht nur, weil meine Mutter Marie dort schwimmen lernte. „Mauseschwänzchen, schwimm einmal!" Nun, meine Schwester und ich lernten dort auch, uns über Wasser zu halten. Nach dem Baden wurden wir trockengerubbelt. Dann sahen wir glau aus!

Die Schulklasse meiner Schwester war auch einige Sommer in Petersdorf in den Ferien. In der Ziegelei gleich nebenan bei Oma Hoffmann bzw. Kriegels schliefen die Kinder. Meine Schwester und ich hatten einmal Windpocken. So durften wir nicht mit den anderen Kindern baden, wandern, spielen, toben. Das war traurig und hat sich wohl auch deshalb so ins Gedächtnis eingeprägt.


Modebewusstsein

Meine ältere Schwester und ihre damalige Westberliner Freundin Marianne waren mit mir in Petersdorf. Marianne war durch Magazine und Modezeitschriften en vogue in puncto Mode. Beide krempelten die Turnhosensäume unter den Schlüpferrand. Das sah ja viel schicker aus! Klein Inge machte sich nichts aus dem Zeitgeschmack. Ich ließ den Saum hängen.


Ausdauertraining

Ich musste nicht wie bei „Karat" über sieben Brücken gehen. Bei mir waren es die sieben Berge! Ein schöner Wintertag mit viel Schnee lockte uns in die Rauener Berge. Cousine Anneliese und Schwester Dorit in Skiausrüstung. Ich selbst mit dem Schlitten. Da ich aber die Abhänge zu steil und die Bäume viel zu dicht stehend an der Abfahrt empfand, lief ich lieber die Berge nicht nur hoch, sondern auch hinunter mit meinem Schlitten.

Der Wald mit seinen Wegen sah im Schnee doch fremd aus. Deshalb verliefen wir uns auch und waren schon an der Autobahn. Glücklicherweise trafen wir Günther Koschorke! Er wusste den kürzesten Weg zurück nach Petersdorf. Zu Hause angekommen, fiel jeder nur noch aufs Sofa. Meine Ängstlichkeit aber ging in die Familiengeschichte ein.


Meine großen Cousins

Ulf und Fred Hoffmann zeigten uns einen magischen Ort in den Rauener Bergen. Der „Fuchsbau" lag damals verlassen und zum Teil eingestürzt im Wald. Aber die Jungen hatten das Gelände längst erkundet und zeigten uns diese Ruine. Mit der Taschenlampe ging es in einige modrige, nasse Gänge. Das war Abenteuer mit Gruseleffekt!

Fred spielte auch sehr gut Akkordeon. Zu Familienfeiern unterhielt er die Gäste mit seiner Musik. Es ging ein Rundgesang in unserem Kreis herum... tralala!
Ulf interessierte sich schon früh für Geschichte und Pflanzen. Die Erwachsenen fanden in ihm einen kompetenten Gesprächspartner.
Mein Cousin Rudi Hoffmann war wahrscheinlich in den 1970iger Jahren der erste promovierte Diplom Ingenieur des Ortes. Er war in der Hauptsache mit dem Aufbau der Atomkraftwerke in der DDR beschäftigt. Sein Vater, mein Onkel Otto, war Hobbyimker. Ein Glas Honig von ihm war für uns etwas ganz Besonderes.


Nachwort

Ich wünsche allen Petersdorfern, Erholungssuchenden und mir, dass dieser Ort immer bunter und lebenswerter wird. Vor allem die Kinder sollen als Petersdorfer Glückspilze aufwachsen!
Möge uns und den künftigen Generationen dieser Ort eine friedliche Heimstatt mit guter Lebensperspektive sein und bleiben.

Das hofft: Inge Siegel


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Der Erlös kommt den Petersdorfer Kindern zugute.

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